Ein Jahr Freiwilligendienst in Deutschland – Dulce und Roger schauen zurück
Dulce, Roger, stellt euch doch bitte kurz vor.
Dulce: Mein Name ist Dulce Roció Pérez Paz. Ich bin Ärztin. Ich bin 30 Jahre alt und komme aus San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt in Honduras.
Roger: Mein Name ist Roger Edgardo Irias Mena. Ich bin Kaffeeproduzent. Ich bin 26 Jahre alt und komme aus El Paraíso in Honduras. Meine Liebe zum Kaffee existiert, seit ich ein Kind bin.
Was war Eure Motivation, für ein Jahr nach Deutschland zu kommen und Euch über so lange Zeit freiwillig zu engagieren?
Roger: Es gab zwei Gründe. Der erste ist, dass ich schon immer den Traum hatte, zu reisen. Und der zweite ist die Liebe zum Kaffee. Ich wollte schon immer die ganze Welt des Kaffees kennen lernen. Diese Welt ist sehr groß und die Möglichkeit, beides zu verbinden wurde mir durch den Freiwilligendienst gegeben.
Dulce: Was mich motiviert hat, waren die Erfahrungen der vorherigen Freiwilligen, was beispielsweise die Freiheit, die Sicherheit und die Lebensqualität hier in Deutschland betrifft. Persönlich wollte ich Unabhängigkeit und Eigenständigkeit erlangen und eine neue Sprache lernen.
Wie fühlst du dich aktuell? Wie schaust du auf deinen Freiwilligendienst zurück?
Roger: In diesem Moment ist meine Gefühlslage sehr schwierig, denn ein Teil von mir ist sehr glücklich und ein anderer Teil ist sehr traurig. Ich bin glücklich im Wissen, dass ich bald zurückkehre, dass ich nach so langer Zeit meine Familie, meine Freunde und meine Freundin wieder in die Arme schließen kann. Aber ich bin auch traurig, weil ich viele Geschichten hierlasse, viele Freundschaften, viele unvergessliche Momente.
Auf meinen Freiwilligendienst schaue ich sehr zufrieden zurück. In der Röstwerkstatt zu arbeiten hat mir sehr viel Freude bereitet. Ich habe eine kleine Familie auf der Arbeit gefunden und gute Freunde. Diesen Teil der Lieferkette und der Vermarktung von Kaffee kennen zu lernen hat mir dabei geholfen, viele Dinge besser zu verstehen.
Dulce: In diesem Moment fühle ich mich glücklich, denn ich habe Menschen mit gutem Herzen kennen lernen dürfen. Das sind Menschen, die Freunde wurden, bei denen ich mir sicher bin, dass sie auch weiterhin Teil meines Lebens sein werden. Als ich mit meinem Freiwilligendienst begonnen habe, wusste ich nicht so wirklich, wo mein Platz ist. Es war herausfordernd, mich einzufügen, mich zu verständigen und auch die Bereiche zu identifizieren, wo ich mich gut einbringen kann.
Aber ich musste auch lernen, wie Dinge hier funktionieren, und habe mit der Zeit verstanden, dass ich Freiwillige bin und dass Dinge vielleicht doch anders sind, als ich sie zunächst gesehen habe.
Was waren Herausforderungen für dich?
Dulce: Die Sprache, ganz klar. Eine meiner großen Erwartungen war, mich sprachlich zu verbessern und auch die Sache mit der Unabhängigkeit: Dinge allein zu machen, die ich vorher nicht allein gemacht habe. Im Team zu arbeiten, mich einzubringen, ohne mich an erste Stelle zu setzen. Und Beziehungen aufzubauen, sowohl im beruflichen Kontext als auch privat.
Roger: Von Beginn an habe ich versucht, nicht so hohe Erwartungen zu entwickeln. Ich bin eine Person, die sich gerne überraschen lässt und eher von einem Tag auf den anderen lebt. So konnte ich mich von vielen Dingen positiv überraschen lassen.
Was kulturelle Herausforderungen angeht, so waren das definitiv und zweifelsohne die Sprache und das Essen. Das waren die härtesten Aufgaben für mich.
Wie war es für dich, in einer Gastfamilie zu leben?
Dulce: Wenn jemand aus einem anderen Land hierherkommt, braucht es eine Verbindung zur Gesellschaft. Es ist wichtig, das Gefühl von Gemeinschaft zu haben, was einem die Gastfamilie gibt. Wenn man nach Deutschland kommt, lässt man seine Familie zurück und der Punkt während des Freiwilligendienstes kommt, an dem man jemanden braucht, mit dem man Alltag teilt, Erlebtes teilt und sich aussprechen kann.
Ich hatte das große Glück, in gleich drei Familien während meines Freiwilligendienstes leben zu können. Jede einzelne hat mir eine tolle und ganz unterschiedliche Erfahrung geschenkt, mir ermöglicht, sie kennen zu lernen, von ihnen zu lernen, mir ein Ohr zu schenken und über Schönes und Herausforderndes sprechen zu können. Das war für mich essenziell.
Roger: Für mich war es sehr spannend, in einer Gastfamilie zu leben. Ich hatte schon etwas Übung darin, weil ich für die Schulzeit auf der weiterführenden Schule in Honduras aufgrund der Distanzen auch zu einer Gastfamilie gezogen bin. Nicht in meinem zu Hause zu leben war also nicht ganz neu für mich.
Eine besondere Zeit in meiner Gastfamilie, an die ich mich gerne zurückerinnere, ist die Karnevalszeit. Was ich auch von ihnen mitnehme, ist der familiäre Zusammenhalt.
Meine Gastfamilie hat mich wunderbar aufgenommen. Sie haben mir immer geholfen, mir viel gezeigt und in der Zeit hier sind sie zu Eltern für mich geworden.
Ich werde sie mein ganzes Leben in meinem Herzen tragen.
Was würdest du Freiwilligen raten, die nach Deutschland kommen?
Roger: Einer meiner Ratschläge ist, dass die Freiwilligen die Zeit hier genießen sollten. Dass sie Vieles ausprobieren, Neues ausprobieren, keine Angst haben und neue Orte kennen lernen. Dass sie aber auch immer das Beste von sich geben und von Anfang an die Sprache lernen. Es ist unheimlich wichtig, dass sie mit den Familien und auf der Arbeit kommunizieren können, denn nur das ermöglicht es, sich vollständig einzubringen.
Was den Winter betrifft: Der Winter ist eine schwierige Zeit. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutet. Ich würde den Freiwilligen raten, dass sie sich eine Beschäftigung im Haus suchen, die ihnen Freude bereitet und die dazu beiträgt, dass der Winter schneller vergeht.
Dulce: Ich würde ihnen mitgeben, dass es richtig ist, was alle sagen: dass die Sprache eine Herausforderung ist. Ich möchte ihnen aber auch sagen, dass wir aus Fehlern lernen. Das es wichtig ist, Fehler zu machen. Dass sie Vertrauen in sich haben sollen, denn nur so öffnen sich Türen, kann man Freundschaften knüpfen und dadurch wird das Leben leichter.
Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass wenn ich permanent Angst habe, Fehler beim Sprechen zu machen, dass ich mich nicht gut fühlen kann, dass ich nicht im Moment und im Hier und Jetzt bin und dieses auch nicht genießen kann. Aber das ist wichtig.
Hast du Pläne für nach dem Freiwilligendienst?
Dulce: Ich möchte mich weiterbilden. Ich möchte mit als Ärztin auf eine Fachrichtung spezialisieren. Es gibt Möglichkeiten in Deutschland, als Ärztin zu arbeiten. Für diesen Traum will ich mein Bestes geben.
Außerdem möchte ich in meiner weiteren Laufbahn die Menschen in Honduras in den Blick nehmen, die keinen Zugang zu ärztlicher Behandlung haben. Dort möchte ich mich einsetzen, soweit es meine Möglichkeiten zulassen.
Roger: Zunächst werde ich versuchen, mir etwas Zeit zum Ankommen in Honduras zu geben. Ich möchte auf meiner Kaffeefinca die Produktion umstellen und mich ausschließlich auf die Produktion von Spezialitätenkaffees fokussieren.
Und dann werde ich meinen Traum weiterverfolgen, meine eigene Cafeteria zu eröffnen.
Deutschland, Kolping Honduras, Kolping Paderborn und all den Menschen, die mir geholfen haben, werde ich immer dankbar sein.